Geschichten_Dummes_Viehzeug

Dummes Viehzeug

....oder wie ein Bartkaninchen das Herz einer Mutter gewinnen konnte.
Geschichte von Heike Ohle:

 

Eine kleine Episode, die sich so zugetragen hat....vor vier Jahren fragte mich eine langjährige Freundin, für mich völlig überraschend, ob ich nicht auch ein Bartkaninchen- jung und weiblich- für sie hätte. Sie wohnte noch bei ihrer Mutter – die schwer krank sei- und hätte dort noch ein eigenes Zimmer, nun ja, dort wollte sie das Tier ---alleine--- halten.

Hm....man muss schon sehr gut mit mir befreundet sein, um es zu schaffen, dass ich ein Bartkaninchen für die Einzelhaltung in einer Wohnung hergebe...aber ich geb zu meiner Schande zu---ich hab es getan! Zu meiner Ehrenrettung will ich aber sagen, dass ich die Stallgröße und die Auslaufzeiten bestimmt habe, also konnte das Tier , sie wurde „Wilma“ genannt, in einem Prachtkäfig von 2 x 2 Metern, täglich für drei-vier Stunden raus...so ursprünglich vereinbart.

Es kam nachher alles ganz anders, wie sich der erfahrene Bartkaninchen-Besitzer denken kann:
„Wilma“ wurde stubenrein, damit war der Zwang im Käfig zu bleiben, gleich Null. Einen Bogen machte sie nur um die Mutter meiner Freundin, die relativ verständnislos von „dummes Viechzeuch“, „zu nix nütze“ bis hin zu anderen „Nettigkeiten“ dieses Tier ansonsten, soweit es ging, ignorierte.

Es kam der Tag, als die Mutter einen Schlaganfall erlitt, bei dem sie –nach einiger Zeit im Krankenhaus- zuhause gepflegt werden konnte....von Stunde an „besuchte“ unsere „Wilma“ die Kranke zuverlässig jeden Tag---tatsächlich hat die Häsin stundenlang an der Schlafzimmertür gewartet, um die Mutter zu besuchen, ist dann ans Bett gehoppelt, machte Männchen und guckte ins Bett und legte sich dann einige Zeit ruhig vor das Bett. Das erste Lächeln, was die Mutter zustande brachte, die erste koordinierte, zärtliche Handbewegung galt der Häsin.

Mit der Zeit fing auch die Mutter an, sich an die Besuche zu gewöhnen und sich mit dem Tier mimisch und gestikreich zu befassen...das ging wohl zwei Jahre so--- inzwischen hat die Mutter die Sprache und die Körpersprache wieder einigermaßen in den Griff, „Wilma“ und sie sind unzertrennlich...beide lieben sich abgöttisch, machen sogar zusammen Mittagsschlaf....letztes Jahr sollte die Mutter, wie in den Jahren zuvor, wieder zur Kur fahren, natürlich ohne Kaninchen...allein!!!Mutte

r weigerte sich: „ohne „Wilma“ nicht“....und setzte sich tatsächlich durch!. Es ist wahr, nach langem Hin und Her, viel Schriftverkehr und Überzeugungsarbeit hat das Sanatorium der Frau in dem vorhandenem, klinikeigenem Fahrradschuppen eine kleine Ecke freigemacht, dort steht der 2x2 Käfig, wo auch die Häsin brav sechs Wochen „mitkurt“.

Die Mutter geht jeden Tag raus und füttert ihre „Wilma“...und zuhause? Na von Auslaufzeiten keine Spur...Wilma läuft in der Wohnung wie ein Hündchen frei und jederzeit zu einer Kapriole bereit und auch ein Riesen-Sprung auf Mutters Schoß wird mit Lachen und Streicheln belohnt.

(Namen und Orte wurden ausdrücklich nicht in der Geschichte angegeben, wegen Rücksicht auf die Privatsphäre der betroffenen Personen)